Noch immer Abschiebungen

PRESSEMELDUNG  anlässlich einer Abschiebung einer Familie mit 2  Kindern 

 

Unerhört und unerträglich!

 

ALLGEMEIN: Es ist nicht hinnehmbar, dass in Österreich  zwar völlig zurecht und medienwirksam für ukrainische Kinder derzeit mit Hochdruck Klassenraum geschaffen wird, aber gleichzeitig bereits gut integrierte Kinder inmitten einer gesamteuropäischen Krise, die auf den Kindern besonders schwer lastet, sang- und klanglos abgeschoben werden! Als Österreichische Janusz-Korczak-Gesellschaft fordern wir alle Politiker und PolitikerInnen – unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit – auf, angesichts dieser äußerst fragilen europäischen Gesamtsituation ALLE ABSCHIEBUNGEN VON KINDERN  SOFORT AUSZUSETZEN

 

KONKRET: Es ist eine grobe Missachtung der Rechte des Kindes und ein inhumaner Akt, am kommenden Sonntag ein bereits seit Jahren gut integriertes Mädchen, das derzeit die 7. Klasse des Gymnasiums in der Anton Kriegergase besucht, abzuschieben – das ist unerhört und unerträglich!

 

DRINGENDE FORDERUNG: Europa darf in Zeiten wie diesen kein weiteres Kind durch Abschiebung zusätzlich in Angst und Schrecken versetzen. Das ist unmenschlich und moralisch verwerflich, selbst dann, wenn dies das österreichische Recht vorsieht. Die Österreichische Janusz Korczak Gesellschaft fordert daher, dass für diese betroffene Schülerin SOFORT UND UNMITTELBAR das humanitäre Bleiberecht angewendet wird.  Wir richten unsere dringende Bitte an die Politikverantwortlichen unseres Landes, schnellstens eine Änderung des Asylrechts im Umgang mit Kindern parlamentarisch herbeizuführen, denn Kinder bedürfen immer und überall in ganz besonderer Weise umfänglichen Schutz und kindgerechte Unterstützung durch die Gesellschaft!

 Wir bitten die Medienverantwortlichen in Österreich, Kindern in Not eine Stimme zu geben. 

Ein Etappenerfolg für Ajla

   Erleichtert aufatmen kann Ajla, die mitten im Schuljahr vom Innenministerium hätte abgeschoben werden sollen. Dem bestens integrierten Mädchen wurde der Aufenthalt nun bis 30.6. 2022 verlängert, nachdem sich die Janusz Korczak-Gesellschaft aktiv für ihren weiteren Verbleib eingesetzt hatte. Damit ist vorerst gesichert, dass Ajla, die derzeit die 7. Klasse eines Gymnasiums in Wien besucht, das Schuljahr in Österreich beenden kann. Die Janusz Korczak-Gesellschaft hatte gefordert, dass die Regierung die von Österreich unterzeichnete UN-Kinderrechtskonvention einhält sowie das humanitäre Bleiberecht für die Schülerin. Die Konvention sieht verbindlich vor, dass einer Abschiebung eine genaue Prüfung des Kindeswohls vorangehen muss. Das nun ausgesprochene Aufenthaltsrecht bis Ende Juni ist als Etappenerfolg zu bewerten. „Unsere Bemühungen gehen dahin, dass Ajla ihre Schulausbildung in Österreich mit der Matura vollenden kann. Diese Chance auf einen höheren Schulabschluss und damit auf ein besseres Leben darf ihr Österreich nicht verwehren“, betont Mag. Heide Manhartsberger-Zuleger von der Janusz Korczak-Gesellschaft, die sich maßgeblich für die Schülerin eingesetzt hat. Der Vorsitzende der Janusz Korczak-Gesellschaft; Univ.-Prof. Dr. Karl Garnitschnig hofft, dass die Abschiebung der jungen Tina eine Wende darstellt, das das Bundesverwaltungsgericht klargestellt hat, dass es sich dabei um eine rechtswidrige Kindesabschiebung gehandelt hat. "Solch einen Fehler kann und darf sich ein Rechtsstaat auf Dauer nicht leisten. Die Empfehlungen der Kinderrechtskommission gehören schleunigst umgesetzt.", fordert Garnitschnig.


Stellungnahme der Österreichischen Janusz Korczak-Gesellschaft: Kindeswohl und Recht

 

Lapidar formuliert der große Pädagoge Janusz Korczak, der mit seinen Kindern freiwillig in den Tod gegangen ist: „Das Kind wird nicht erst Mensch, es ist schon einer.“ Dem wird wohl kaum jemand widersprechen. Daher gelten die Menschenrechte auch für Kinder. Aber Kinder brauchen einen besonderen Schutz. Es ist gut, dass es Kinderrechte gibt, die Verfassungsrang haben. Sowohl die Menschen- als auch die Kinderrechte müssten in besonderer Weise beachtet werden, weil sie die Grundlage für das gesamte Rechtssystem bilden.

 In der Präambel der Kinderrechte wird demnach das Kindeswohl in ganz besonderer Weise hervorgehoben. Es ist im eigentlichen Sinn kein Rechtsbegriff, sondern, weil auf den Menschen und das Kind in seiner Ganzheit bezogen, ethisch zu sehen. Parallel dazu heißt es in der Präambel der Menschenrechtscharta, dass die Würde des Menschen die „Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden“ ist. Im Artikel 1 wird zudem konstatiert, dass alle Menschen, Betonung auf alle – unabhängig von Geschlecht, Alter, Rasse, Religionszugehörigkeit, Behinderung – „frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ sind.

Dies gilt universell, ist also auf jeden Menschen und selbstverständlich auf jedes Kind und all seine Belange bezogen. Außerdem beruht Ethik auf dem Prinzip wechselseitiger Anerkennung. Wird also ein Kind nicht in die Entscheidung bezüglich seiner Belange einbezogen, wird sein Menschsein in Frage gestellt und es erfährt Demütigung.

 Solche Entscheidungen lassen sich nicht allein rechtlich argumentieren, sondern nur über das Humane als solches. Da dies häufig nicht geschieht, liegen die Menschenrechte und besonders die Kinderrechte weltweit im Argen. Stellen wir nicht das Humane und das Ethische über das Recht, landen wir im Totalitarismus und in den Unrechtsstaaten, in denen als Recht das gilt, was Machthaber als solches deklarieren und praktizieren.

 Solch willkürliche Gewalt geschieht immer dann, wenn Menschen nicht in die sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden. Jede Handlung ist gewaltsam, an der wir nicht in allen Punkten mitgestalten können. Handelt es sich dabei um Kinder, müssten wir diese sogar befähigen und ermächtigen, damit sie an den für sie wichtigen Entscheidungen mitwirken können.

Janusz Korczak postuliert: „Dass es das erste und unbestreitbare Recht des Kindes ist, seine Gedanken auszusprechen und aktiven Anteil an unseren Überlegungen und Urteilen über seine Person zu nehmen.“ Er schreibt dazu: „Das Gefühl der Ohnmacht erzieht zur Verehrung der Stärke; jeder, nicht nur der Erwachsene, sondern jeder Ältere und Stärkere kann seine Unzufriedenheit brutal ausdrücken, seine Forderung durch Stärke bekräftigen und Gehorsam erzwingen: Er kann ungestraft Unrecht tun. Durch unser eigenes Beispiel lehren wir zu verachten, was schwächer ist. Eine schlechte Schule, eine finstere Prognose.“ (Korczak, Wie liebt man ein Kind, SW, Bd. 4, S. 385 f.)

 Wollen wir Jugendliche und Erwachsene, die dann nach solchen starken, autoritären Männern rufen?

 Die Menschen- und Kinderrechte werden wohl erst dann umgesetzt sein, wenn im Sinne wechselseitiger Anerkennung das Wohl und Glück sowie die Würde jedes Menschen im Mittelpunkt steht. Erst dann dürfen wir auf eine gerechtere Gesellschaft hoffen.

 Univ. Prof. Dr. Karl Garnitschnig -  als Vorsitzender für die Österreichische Janusz Korczak-Gesellschaft

 

Jedes einzelne Kind ist zu kostbar, um es zu verlieren ...

Anlässlich des Kinderrechte-Aktionstages sprachen Experten über den Status quo und was es braucht, um den Kinderrechten zum Durchbruch zu verhelfen.

Österreich hat als eines der ersten Länder 1989 die UNO-Kinderrechts-konvention unterzeichnet, aber noch immer sind viele Defizite in Bezug auf die Einhaltung der Kinderrechte feststellbar. Beim Kinderrechte-Aktionstag, veranstaltet von der Janusz Korczak Gesellschaft und der VHS Mariahilf Neubau Josefstadt sprachen die langjährige Jugendrichterin Dr. Beate Matschnig, NMS-Lehrerin Maria Lodjn und Mag. Heide Manhartsberger-Zuleger, Mitglied im Vorstand der Janusz Korczak Gesellschaft, über den Stand der Kinderrechte in Österreich. Einig war man sich, dass die Chancengleichheit für Kinder in unserer Gesellschaft nicht gegeben ist, dass die öffentliche Hand zu wenig für benachteiligte Kinder tut und dass die Politik an Themen scheitert, die nicht mehrheitsfähig sind.

 Kinderrechte sind universal

 Jugendrichterin Matschnig wies darauf hin, dass nach wie vor viel zu viele Kinder und Jugendliche mit körperlicher Gewalt, sexuellem Missbrauch, menschenunwürdigen Wohnverhältnissen und Vernachlässigung durch die Eltern belastet seien. Sie plädierte für mehr staatliches Engagement und Weitblick in dieser Frage, auch wenn man den Lohn dafür erst 10, 15 Jahre später einfahren könne. Matschnig: „Der Strafvollzug hat selten für Jugendliche Berechtigung, und wenn, dann nur, um Jugendliche vor sich selbst zu schützen“. Als positive Beispiele sieht sie die skandinavischen Länder und die Schweiz, die als ersten und zentralen Punkt in ihren Jugendgesetzen den Erziehungsgedanken verankert haben. Sie betonte aber auch, dass viele Jugendliche, die ihre Strafe im Gefangenenhaus absitzen müssten, das erste Mal dort auf Personen stoßen würden, die ihnen Halt gäben und zu denen sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen könnten. Dadurch schafften mehr als die Hälfte der einsitzenden Jugendlichen einen positiven Schulabschluss oder eine Lehre, was insbesondere den engagierten Lehrern zu verdanken sei. Matschnig verweist darauf, dass Kinderrechte universal seien, egal, aus welchem Land das Kind kommt, und dass Österreich verpflichtet sei zu helfen. Die Lehrerin Maria Lodjn, die in einer Neuen Mittelschule im 20. Wiener Gemeindebezirk unterrichtet, erzählte von SchülerInnen aus prekären Verhältnissen, die wochenlang die selbe Kleidung tragen würden und sich für ihre Armut schämten. Der Befund von Lodjn: „Es interessiert eigentlich niemanden, wie es diesen Kindern wirklich geht, manche rutschen dann in die Kleinkriminalität ab.“ Kinder mit Migrationshintergrund würden sehr häufig hören, dass sie sich ganz besonders anstrengen müssten, was jedoch auf Dauer demotivierend wirke. Lodjn verteidigte die Eltern dieser Kinder, die nicht ignorant, sondern mit dem täglichen Überlebenskampf zu sehr belastet seien und selbst Bildungsdefizite aufweisen würden.

 Es braucht mehr Wissen und mehr finanzielle Mittel

 Ein neu eingeführtes, kostenloses Freizeitangebot für Kinder aus den Neuen Mittelschulen, ist die Vienna Hobby Lobby. Diese bietet Weiterbildungs-möglichkeiten in Form von Freizeitkursen am Nachmittag an und versucht so, Chancengleichheit auch für Kinder aus ärmeren Haushalten zu ermöglichen. Heide Manhartsberger-Zuleger sieht gerade für lernschwache Kinder und Jugendliche die Ganztagesschule als wertvolle Unterstützung an. Um die Situation zu verbessern brauche es ihrer Meinung nach einerseits mehr finanzielle Mittel, andererseits aber auch Experten, um die Eltern zu entlasten, so Manhartsberger-Zuleger. Eines zeigten die Gespräche der Experten ganz klar auf: Es ist in Österreich noch viel zu tun, um die Situation für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu verbessern und um die UNO-Kinderrechtskonvention mit Leben zu erfüllen.